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Privatinsolvenz trotz Bürgergeld-Bezug möglich?

Darf ich Privatinsolvenz anmelden als Bürgergeld-Empfänger?
Darf ich Privatinsolvenz anmelden als Bürgergeld-Empfänger?

FAQ: Privatinsolvenz und Bürgergeld

Kann ich als Empfänger von Bürgergeld Privatinsolvenz anmelden?

Ja, eine Privatinsolvenz ist auch bei Bürgergeld-Bezug möglich, denn ein Mindesteinkommen ist dafür nicht vorgeschrieben. Vielmehr steht das Verfahren allen natürlichen Personen offen, die die keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben oder ausgeübt haben, und die zahlungsunfähig sind.

Was muss ich bei einer Privatinsolvenz mit Bürgergeld beachten?

Sie müssen das Insolvenzverfahren bezahlen. Das Bürgergeld wird dafür nicht ausreichen. Stellen Sie zusammen mit Ihrem Insolvenzantrag einen Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten. Das Insolvenzgericht gewährt Ihnen dann einen Zahlungsaufschub bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung und gegebenenfalls noch darüber hinaus.

Werde ich in der Privatinsolvenz auch meine Schulden beim Jobcenter los?

Vor der Eröffnung der Privatinsolvenz entstandene Schulden fallen laut § 301 InsO unter die Restschuldbefreiung, die auch gegenüber dem Jobcenter gilt. Dieses darf aber während der Insolvenz unter bestimmten Umständen Leistungen einbehalten oder kürzen und auf diese Weise bestehende Schulden eintreiben. Mehr zu solchen Kürzungen lesen Sie hier.

Antrag auf Eröffnung der Privatinsolvenz bei Bürgergeld-Bezug

Der Bezug von Bürgergeld ist bei Insolvenz­verfahren kein Ausschlusskriterium.
Der Bezug von Bürgergeld ist bei Insolvenz­verfahren kein Ausschlusskriterium.

Die Verbraucherinsolvenz steht auch Menschen offen, die über kein nennenswertes Einkommen verfügen.

Dementsprechend dürfen auch Empfänger von Bürgergeld und anderen Sozialleistungen die Privatinsolvenz mit anschließender Restschuldbefreiung beantragen.

Dabei sind vor allem drei Dinge wichtig:

  1. Zahlungsunfähigkeit als Eröffnungsgrund: Voraussetzung für eine Insolvenzeröffnung ist lediglich die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Das ist er dann, wenn er seine fälligen Zahlungspflichten nicht erfüllen kann. Die Insolvenzordnung schreibt also weder ein bestimmtes Mindesteinkommen noch Schulden in bestimmter Höhe vor.
  2. Verfahrenskosten: Die Kosten des Insolvenzverfahrens muss der Schuldner selbst tragen. Menschen, die Privatinsolvenz beantragen und Bürgergeld beziehen, können diese Kosten in der Regel nicht sofort aufbringen. Deshalb steht ihnen die Möglichkeit offen, einen Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten zu stellen.
  3. Gescheiterte außergerichtliche Schuldenregulierung: Verbraucher dürfen nur dann einen Antrag auf Eröffnung der Verbraucherinsolvenz stellen, wenn sie vorher ernsthaft versucht haben, sich mit ihren Gläubigern außergerichtlich über die Schuldenregulierung zu einigen, und wenn dieser Versuch gescheitert ist. Das müssen sie sich von einer anerkannten Schuldnerberatungsstelle oder einen Anwalt bescheinigen lassen und zusammen mit ihrem Insolvenzantrag einreichen.

Erwerbsobliegenheit während der Privatinsolvenz

Wer private Insolvenz anmeldet und Bürgergeld bezieht, muss sich ernsthaft um eine angemessene Arbeitsstelle bemühen.
Wer private Insolvenz anmeldet und Bürgergeld bezieht, muss sich ernsthaft um eine angemessene Arbeitsstelle bemühen.

Während der Privatinsolvenz müssen sich Bürgergeld-Empfänger um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemühen und diese Bemühungen auf Verlangen gegenüber dem Insolvenzgericht und dem Insolvenzverwalter nachweisen.

Darüber hinaus dürfen sie zumutbare Tätigkeiten nicht ablehnen.

Was genau eine angemessene Arbeit ist, richtet sich nach den persönlichen Verhältnissen des Schuldners und seiner beruflichen Qualifikation. In der Regel muss sich der Schuldner um eine Vollzeitbeschäftigung mit einer 35-40-Stunden-Woche bemühen.

Eine Teilzeitstelle kommt gewöhnlich nur dann in Betracht, wenn der Schuldner beispielsweise mit kleinen Kindern alleinerziehend ist oder wenn er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, Vollzeit zu arbeiten.

Während Ihrer Insolvenz müssen sich Bürgergeld-Empfänger arbeitssuchend melden bei der Agentur für Arbeit. Außerdem sind sie angehalten, regelmäßigen Kontakt mit ihrem Berater zu pflegen, regelmäßig nach passenden Stellenangeboten zu suchen, sich pro Woche auf zwei bis drei Stellenangebote zu bewerben und Vorstellungstermine wahrzunehmen.

Privatinsolvenz: Ist Bürgergeld pfändbar?

Privatinsolvenz: Bei einer Bedarfsgemeinschaft betrifft das Verfahren nur die Person, die Insolvenz beantragt hat.
Privatinsolvenz: Bei einer Bedarfsgemeinschaft betrifft das Verfahren nur die Person, die Insolvenz beantragt hat.

Während der dreijährigen Abtretungsfrist (bzw. Wohlverhaltensphase) muss der Schuldner sein pfändbares Einkommen an den Insolvenzverwalter quasi zur Schuldenregulierung abtreten.

Den Pfändungsfreibetrag von derzeit 1.409,99 € darf er behalten. Doch wie gestaltet sich diesbezüglich die Rechtslage bei Bürgergeld und Privatinsolvenz?

  • Bürgergeld ist eine Sozialleistung für hilfsbedürftige Personen, die nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt aus eigenen finanziellen Mitteln zu bestreiten. Dieser „Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes“ kann laut § 42 Abs. 4 SGB 2 nicht gepfändet werden. Auf diese Weise will der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Hilfeleistung auch bei den Betroffenen ankommt und nicht von deren Gläubigern „einkassiert“ wird.
  • Zusätzlich sind während der Privatinsolvenz Nachzahlungen zum Bürgergeld unpfändbar. Dies geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs über Nachzahlungen von Hartz-4-Leistungen, dem Vorgänger des Bürgergelds, hervor (BGH, Urteil vom 24.01.2018, Az.: VII ZB 21/17).
  • Damit Schuldner in der Privatinsolvenz über ihr Bürgergeld frei verfügen können, müssen sie ihr Girokonto in ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto) umwandeln. Denn das herkömmliche Girokonto bietet keinen automatischen Pfändungsschutz. Auf dem P-Konto ist der Grundfreibetrag vor Pfändungen geschützt. Auch der Insolvenzverwalter darf auf die geschützten Beträge nicht zugreifen. Der Schuldner muss ihn auch nicht um eine Zustimmung bzw. Freigabe der Freibeträge bitten.

Das Jobcenter muss dem Empfänger von Bürgergeld auf dessen Antrag eine Bescheinigung über die ausgezahlten Leistungen ausstellen, die er bei seiner Bank als Nachweis vorlegen kann.

Ist man bei einer Privatinsolvenz auch beim Jobcenter schuldenfrei?

Die Restschuldbefreiung nach der Privatinsolvenz umfasst auch Schulden beim Jobcenter.
Die Restschuldbefreiung nach der Privatinsolvenz umfasst auch Schulden beim Jobcenter.

Wer Privatinsolvenz als Bürgergeld-Empfänger beantragt, strebt unter Umständen eine Restschuldbefreiung an, die auch gegenüber dem Jobcenter gilt. Derartige Schulden können auf zwei Sachverhalten beruhen:

Entweder hat das Amt dem Leistungsempfänger ein Darlehen gewährt, um davon Mietschulden oder Stromschulden zu begleichen. Oder es kam zu einer Überzahlung, bei der das Jobcenter versehentlich einen höheren Betrag ausgezahlt, als dem Bürgergeld-Empfänger gesetzlich zusteht.

  • Grundsätzlich wirkt die Restschuldbefreiung gegen alle Insolvenzgläubiger, auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. Dementsprechend muss auch das Jobcenter die Schuldenbefreiung gegen sich gelten lassen – vorausgesetzt, die Schulden gegenüber dem Jobcenter sind vor der Insolvenzeröffnung entstanden.
  • Infolgedessen sind Forderungen, die nicht schon durch Tilgungen während der Privatinsolvenz erloschen sind, nicht mehr durchsetzbar. Betreibt ein Gläubiger trotz erteilter Restschuldbefreiung die Zwangsvollstreckung, so kann sich der Schuldner mithilfe der Vollstreckungsgegenklage dagegen wehren.

Entstehen die Schulden gegenüber dem Jobcenter erst nach der Eröffnung der Privatinsolvenz, muss der Bürgergeld-Empfänger diese allerdings bezahlen, weil sie als sogenannte Neuverbindlichkeiten nicht von der Restschuldbefreiung erfasst werden.

Darf das Jobcenter in der Privatinsolvenz Bürgergeld-Leistungen einbehalten oder kürzen?

Übrigens: Eine Privatinsolvenz ist bei Grundsicherung ebenfalls möglich.
Übrigens: Eine Privatinsolvenz ist bei Grundsicherung ebenfalls möglich.

Möglicherweise versuchen Jobcenter bestehende Schulden trotz Privatinsolvenz einzutreiben, indem sie das Bürgergeld kürzen. Das geschieht im Wege einer sogenannten Aufrechnung nach den Regeln der §§ 387 ff. BGB.

Dabei stehen sich zwei gleichartige Forderungen wechselseitig gegenüber – hier der Rückzahlungsanspruch des Jobcenters und der Leistungsanspruch des Bürgergeld-Empfängers. Weil es zu umständlich wäre, wenn jede den geschuldeten Geldbetrag einzeln überweist, kann das Jobcenter seinen Anspruch mit dem des Sozialleistungsempfängers verrechnen und den Anspruch auf Auszahlung kürzen.

Doch ist während bzw. nach der Privatinsolvenz eine solche Bürgergeld-Kürzung überhaupt zulässig? Die Rechtslage hierzu gestaltet sich wie folgt:

  • Zwar darf das Jobcenter während der Privatinsolvenz aufgrund des Vollstreckungsverbots des § 89 InsO keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten.
  • Besteht aber eine Aufrechnungslage bereits bei der Insolvenzeröffnung, so ist das Jobcenter laut § 94 InsO dennoch zur Aufrechnung berechtigt und darf Leistungen dementsprechend kürzen bzw. einbehalten.
  • Mit Erteilung der Restschuldbefreiung werden die hiervon erfassten Forderungen (gegenüber dem Jobcenter) zu unvollkommenen Verbindlichkeiten. Das heißt, der Schuldner kann sie zwar noch erfüllen, der Gläubiger (Jobcenter) kann sie aber nicht mehr erzwingen. Deshalb darf er seine Forderungen auch nicht mehr mit den Leistungsansprüchen des Schuldners verrechnen, weil eine Aufrechnung eine wirksame und durchsetzbare Gegenforderung des Aufrechnenden voraussetzt.

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