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Zahlungsunfähigkeit als Grund, Insolvenz anzumelden

Was versteht man unter Zahlungsunfähigkeit?
Was versteht man unter Zahlungsunfähigkeit?

Im Insolvenzrecht stellt die Zahlungsunfähigkeit einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens dar. Sie liegt laut § 17 Abs. 2 InsO vor, wenn der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Schulden zu begleichen. Trotz dieser einfachen Formulierung ist es nicht immer einfach festzustellen, ob ein Schuldner tatsächlich nicht mehr zahlen kann oder ob es sich beispielsweise nur um eine Zahlungsstockung handelt.

FAQ: Zahlungsunfähigkeit

Wann gilt man als zahlungsunfähig?

Nach § 17 Abs. 2 InsO liegt Zahlungsunfähigkeit laut Definition dann vor, wenn der Schuldner seine fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann. Hier erläutern wir den Begriff ausführlicher.

Was passiert, wenn man zahlungsunfähig wird?

Insbesondere für Unternehmen hat die Zahlungsunfähigkeit weitreichende Konsequenzen. Bestimmte Unternehmensformen wie die GmbH unterliegen der Insolvenzantragspflicht. Für welche Unternehmen diese gilt und was dies noch bedeutet, erfahren Sie in diesem Abschnitt.

Was bedeutet die Zahlungsunfähigkeit für Privatpersonen?

Verbrauchern droht die Zwangsvollstreckung, wenn sie ihre Schulden nicht bezahlen und der Gläubiger einen entsprechenden Vollstreckungstitel besitzt. Um dies zu vermeiden, bietet sich ein außergerichtlicher Vergleich mit allen Gläubigern an. Scheitert dieser, kann der Schuldner Privatinsolvenz mit anschließender Restschuldbefreiung beantragen.

Ich bin zahlungsunfähig. Was kann ich tun als Privatperson?

Informieren Sie Ihre Gläubiger umgehend und lassen Sie sich von einer Schuldnerberatungsstelle bei der Schuldenregulierung unterstützen. An dieser Stelle beschreiben wir genauer, was Sie tun können.

Wann ist man zahlungsunfähig?

Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung: Welcher Unterschied besteht zwischen diesen beiden Eröffnungsgründen?
Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung: Welcher Unterschied besteht zwischen diesen beiden Eröffnungsgründen?

Laut Definition liegt Zahlungsunfähigkeit vor, wenn der Schuldner „nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.“ (§ 17 Abs. 2 InsO) Fälligkeit ist dabei der Zeitpunkt, zu welchem ein Gläubiger die Bezahlung seiner Forderung verlangen kann.

Auch wenn diese Definition relativ einfach und klar klingt, ist es nicht immer einfach festzustellen, ob ein Schuldner tatsächlich zahlungsunfähig oder lediglich kurzfristig nicht liquide. Insbesondere bei Unternehmen gestaltet sich die Prüfung, ob Zahlungsunfähigkeit vorliegt, mitunter schwierig.

Es lassen sich grob folgende Phasen voneinander unterscheiden:

  1. Der Schuldner ist zwar verschuldet, aber immer noch liquide und zahlungsfähig.
  2. Es liegt lediglich eine kurzfristige Zahlungsstockung vor oder eine nur geringfügige Liquiditätslücke.
  3. Der Schuldner kann seine fälligen Schulden nicht begleichen, weil er zahlungsunfähig ist.

Vor allem bei Unternehmen kann die Abgrenzung zwischen diesen drei – auf nahtlos ineinander übergehenden – Phasen Schwierigkeiten bereiten. Das macht mitunter die Unterstützung und Beratung durch einen Anwalt für Insolvenzrecht erforderlich.

Feststellung der Zahlungsunfähigkeit bei einer GmbH und anderen Unternehmensformen

Gerät ein Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten, muss die Geschäftsleitung regelmäßig prüfen, ob es zahlungsunfähig ist. Dies geschieht in 4 Schritten:

Wann gilt eine GmbH als zahlungsunfähig? Der BGH hat hierzu besondere Kriterien für Unternehmen aufgestellt.
Wann gilt eine GmbH als zahlungsunfähig? Der BGH hat hierzu besondere Kriterien für Unternehmen aufgestellt.
  1. Liquiditätsstatus feststellen: Besteht aktuell eine Liquiditätslücke? Bzw.: Lassen Sie die fälligen Forderungen mithilfe der vorhandenen Geldmittel ausgleichen? Lautet die Antwort „Nein“, ist das Unternehmen zahlungsfähig. Liegt hingegen eine Deckungslücke vor, folgt Schritt 2.
  2. Finanzierungsplan: Lässt sich diese Lücke innerhalb der nächsten 3 Wochen schließen? Ist dies möglich, handelt es sich lediglich um eine Zahlungsstockung. Es liegt nach einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) keine Zahlungsunfähigkeit vor. Kann das Unternehmen die Liquiditätslücke nicht binnen 21 Tagen schließen, folgt der 3. Schritt.
  3. Übersteigt die gesamte Forderungshöhe die Geldmittel des Schuldners um 10 %? Wenn ja, dann gilt das Unternehmen als zahlungsunfähig. Ist die Differenz geringer, folgt Schritt 4.
  4. Finanzierungsplan: Lässt sich die Liquiditätslücke in den folgenden 3 bis 6 Monaten schließen? Wenn dies wahrscheinlich nicht gelingen wird, ist das Unternehmen zahlungsunfähig. Gelingt die Beseitigung der Lücke mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in dieser Zeit, handelt es sich lediglich um eine Zahlungsstockung.

Exkurs: Drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung als weitere Insolvenzgründe

Die Insolvenzordnung benennt neben der Zahlungsunfähigkeit noch zwei weitere Eröffnungsgründe für ein Insolvenzverfahren:

  • Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt laut Definition des § 18 Abs. 2 InsO vor, wenn der Schuldner „voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. In aller Regel ist ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen.“
  • Überschuldung bedeutet nach § 19 Abs. 2 InsO, dass das Vermögen des Schuldners nicht mehr ausreicht, um all seine bestehenden Verbindlichkeiten abzudecken.

Folgen der Zahlungsunfähigkeit für Unternehmen

Muss man Insolvenz anmelden bei Zahlungsunfähigkeit? Diese Antragspflicht besteht nur für  bestimmte Unternehmen, nicht aber für Verbraucher.
Muss man Insolvenz anmelden bei Zahlungsunfähigkeit? Diese Antragspflicht besteht nur für bestimmte Unternehmen, nicht aber für Verbraucher.

Für Unternehmen gehen damit weitreichende Folgen einher. So besteht für die folgenden Unternehmensformen die Pflicht, binnen 3 Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (oder Überschuldung) einen Insolvenzantrag zu stellen:

  • Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
  • Aktiengesellschaft (AG)
  • Verein
  • Personengesellschaften, die keine natürliche Person als unbeschränkt haftenden Gesellschafter haben, z. B. GmbH & Co. KG
  • Genossenschaft (eG)

Verpasst die Geschäftsleitung diese Frist, macht sie sich mitunter wegen Insolvenzverschleppung strafbar. Geht sie trotz Kenntnis ihrer finanziellen Notlage weiterhin Geschäfte ein, ohne ihre Vertragspartner darüber aufzuklären und wohl wissend, dass sie nicht zahlen kann, stellt diesen einen strafbaren Eingehungsbetrug dar.

Die Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens muss noch nicht dessen Ende bedeuten. Das Insolvenzrecht sieht verschiedene Optionen zur Unternehmenssanierung vor, so dass der Betrieb fortgeführt und erhalten werden kann. Voraussetzung hierfür ist eine kompetente Geschäftsleitung und ein funktionierendes Geschäftsmodell. In diesem Fall lässt sich das Unternehmen über ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung oder ein Schutzschirmverfahren retten.

Zahlungsunfähigkeit einer Privatperson: Was tun als Verbraucher?

Auch Verbraucher haben verschiedene Optionen, um wieder aus Ihrer finanziellen Notlage herauszukommen. Wichtig ist dabei, dass Sie schnell handeln und sich professionelle Hilfe bei einer Schuldnerberatung oder einem Anwalt für Schulden holen.

Mithilfe dieser Unterstützung …

  • gewinnen Sie wieder einen umfassenden Überblick über ihre Finanzen und Schulden
  • erarbeiten Sie einen Schuldenregulierungsplan als möglichen Lösungsweg
  • verhandeln Sie mit all Ihren Gläubigern über den Schuldenabbau auf Grundlage dieses Plans
  • bauen Sie Schritt für Schritt Ihre Schulden ab, indem Sie sich an die mit Ihren Gläubigern getroffenen Vereinbarungen halten

Gelingt es dem Schuldner nicht, sich mit allen Gläubigern auf der Basis des Schuldenbereinigungsplans zu einigen, bescheinigt die Schuldnerberatung oder der Anwalt das Scheitern dieses Einigungsversuchs. Mithilfe dieses Nachweises kann der Schuldner anschließend seine Privatinsolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit anmelden und erlangt nach drei Jahren eine vollständige Restschuldbefreiung.

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