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Verwirkung: Wenn Gläubiger ein Recht nicht mehr geltend machen können

Die Verwirkung ergibt sich aus § 242 BGB.
Die Verwirkung ergibt sich aus § 242 BGB.

Gläubiger können offene Zahlungen nicht unendlich lange einfordern. Dafür sorgen die sogenannten Verjährungsfristen. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt gemäß § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuches drei Jahre, sie kann jedoch auf bis zu 30 Jahre verlängert werden und auch neu zu laufen beginnen. In diesem Zusammenhang ist häufig auch von der Verwirkung zu hören. Wir erklären, worum es sich dabei genau handelt.

FAQ: Verwirkung

Was bedeutet es, wenn ein Anspruch verwirkt ist?

Ein verwirkter Anspruch ist zwar noch nicht verjährt, kann aber trotzdem nicht mehr geltend gemacht werden, weil die Durchsetzung gegen Treu und Glauben verstoßen würde.

Was ist der Unterschied zwischen Verjährung und Verwirkung?

Zur Verjährung kommt es stets nach Ablauf einer festgelegten Frist. Damit die Verwirkung greift, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, dazu gehören das Umstands- und das Zeitmoment. Es muss dabei immer der Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände geprüft werden. Mehr zu den Voraussetzungen erfahren Sie hier.

Wann kann ich eine Forderung wegen Verwirkung abwehren?

Hat der Gläubiger über einen langen Zeitraum die offene Forderung nicht eingefordert und geht der Schuldner deshalb davon aus, dass er dies auch in der Zukunft nicht tun wird, könnte die Verwirkung berücksichtigt werden. Dabei müssen jedoch die jeweiligen Umstände genau geprüft werden. Beispiele für die Verwirkung haben wir an dieser Stelle für Sie zusammengefasst.

Was bedeutet die Verwirkung? Definition im BGB

Wann ist ein Anspruch verwirkt? Es spielt nicht nur das Zeit-, sondern auch das Umstandsmoment eine Rolle.
Wann ist ein Anspruch verwirkt? Es spielt nicht nur das Zeit-, sondern auch das Umstandsmoment eine Rolle.

Schulden verjähren nach einem gewissen Zeitraum. Die Verjährungsfristen sind dabei gesetzlich festgelegt. Unternimmt der Gläubiger zu lange nichts, um offene Forderungen einzutreiben, und ist die Frist abgelaufen, muss der Schuldner nicht mehr zahlen.

Es kann jedoch auch schon vor Eintritt der Verjährung dazu kommen, dass es einem Schuldner nicht mehr zugemutet werden kann, eine Forderung zu begleichen. In diesem Zusammenhang sprechen wir von der sogenannten Verwirkung. Diese ergibt sich aus § 242 BGB, welcher Folgendes besagt:

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Was ist nun die Verwirkung genau? Ihre Bedeutung ist schwerer zu greifen als die der Verjährung. Während Letztere grundsätzlich nach einer gewissen Zeit eintritt, spielt bei der Verwirkung zusätzlich das Verhalten des Gläubigers eine entscheidende Rolle. Eine Forderung ist verwirkt, wenn der Schuldner nicht mehr damit rechnen konnte, dass der Gläubiger sie auch tatsächlich einfordern würde. Darauf wollen wir im Folgenden näher eingehen.

Was ist eine Verwirkungsfrist? Dieser rechtliche Begriff wird in der Schweiz verwendet. In Deutschland sprechen wir hingegen von Ausschlussfristen. Sind diese abgelaufen, erlischt ein Anspruch oder ein Recht.

Unter welchen Voraussetzungen ist ein Anspruch verwirkt?

Beim Trennungsunterhalt kann die Verwirkung eine Rolle spielen.
Beim Trennungsunterhalt kann die Verwirkung eine Rolle spielen.

Ist ein Recht, etwa auf die Zahlung einer offenen Geldsumme, verwirkt, kann der Gläubiger dieses nicht mehr einfordern. Doch welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden, damit die Verwirkung vorliegt?

  1. Der Gläubiger war sich dessen bewusst, dass er ein Recht einfordern konnte.
  2. Gleichzeitig hat er über einen längeren Zeitraum hinweg nichts unternommen, um dieses Recht einzufordern (Zeitmoment).
  3. Es wäre ein Verstoß gegen Treu und Glauben, wenn der Gläubiger das Recht trotzdem noch einfordern wollte (Umstandsmoment). Davon kann unter anderem dann gesprochen werden, wenn der Schuldner nicht davon ausgehen konnte, dass der Gläubiger nach langer Zeit noch sein Recht ausüben würde.

Eine Einrede der Verwirkung ist nicht nötig. Sie wird von Amts wegen berücksichtigt. Bei der Verjährung hingegen muss sich die betroffene Person in jedem Fall auf diese berufen.

Beispiele für die Verwirkung

Die Verwirkung spielt kann verschiedenen Rechtsgebieten eine Rolle spielen, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen:

  • Ein Beispiel für die Verwirkung im Verwaltungsrecht ist ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30.06.2021 (Az.: 7 A 3161/18). Ein Restaurant hatte einen Außenbereich gebaut. Est nach vielen Jahren beschwerten sich Nachbarn darüber. Das Gericht urteilte, dass der Anspruch der Nachbarn, einzuschreiten, verwirkt sei, da sie die Außengastronomie 24 Jahre lang geduldet hatten. Der Restaurantbesitzer konnte nach so langer Zeit darauf vertrauen, dass keine Beschwerden mehr kommen würden. Außerdem wäre ihm ein unzumutbarerer Nachteil entstanden, wenn den Nachbarn Recht gegeben worden wäre.  
  • Auch beim Trennungsunterhalt kann Verwirkung vorliegen. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Ehe nur sehr kurz hielt, wenn einer der Partner in einer neuen eheähnlichen Gemeinschaft lebt oder wenn eine Person falsche Angaben zu ihrem Einkommen gemacht hat.

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