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Erwerbs­obliegen­heit im privaten Insolvenzverfahren

Sinn und Zweck der Erwerbsobliegenheit ist es, dass der Schuldner möglichst viel pfändbares Einkommen für den Schuldenabbau erwirtschaftet.
Sinn und Zweck der Erwerbsobliegenheit ist es, dass der Schuldner möglichst viel pfändbares Einkommen für den Schuldenabbau erwirtschaftet.

Die Insolvenzordnung soll unter anderem für einen Interessenausgleich zwischen Schuldner und Gläubiger sorgen: Strebt der Schuldner mit seiner Privatinsolvenz eine vollständige Schuldenbefreiung an, muss er sich ernsthaft darum bemühen, seine Schulden weitestgehend zu tilgen. Das funktioniert gewöhnlich nur, wenn er ein entsprechend hohes Arbeitseinkommen erzielt. Sprich: Er muss arbeiten oder sich zumindest regelmäßig bewerben. Die Gläubiger können diese Erwerbsobliegenheit des Schuldners zwar nicht einklagen, weil es eben keine rechtliche Pflicht, sondern „nur“ eine Obliegenheit ist. Für den Schuldner ändert das wenig: Kommt er dieser „Arbeitspflicht“ nicht nach, setzt er seine Restschuldbefreiung aufs Spiel, denn die Gläubiger können die Versagung dieses Schuldenerlasses beantragen.

FAQ: Erwerbsobliegenheit

Sind Schuldner während der Privatinsolvenz verpflichtet zu arbeiten?

Ja, denn laut § 287b InsO „obliegt es dem Schuldner, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen.“

Was passiert, wenn der Schuldner dieser Obliegenheit nicht nachkomme?

Verletzt der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit und beeinträchtigt er dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger, so können diese die Versagung der Restschuldbefreiung beantragen.

Was genau beinhaltet die Erwerbsobliegenheit bzw. wie weit geht sie?

Der Umfang der Erwerbsobliegenheit ist in der Insolvenzordnung nicht näher bestimmt. Wie weit diese Obliegenheit geht, ergibt sich immer aus der jeweiligen Situation des Schuldners. An dieser Stelle erfahren Sie mehr.

Zum Umfang der Erwerbsobliegenheit

Der Bundesgerichtshof fasst den Umfang der Erwerbsobliegenheit sehr weit.
Der Bundesgerichtshof fasst den Umfang der Erwerbsobliegenheit sehr weit.

Die Erwerbsobliegenheit im Sinne des § 287b InsO reicht sehr weit, auch wenn die persönlichen Lebensumstände des Schuldners berücksichtigt werden müssen:

  • Der Bundesgerichtshof sieht grundsätzlich nur eine Vollzeitbeschäftigung als angemessen an (BGH, Az. BGH IX ZB 32/17).
  • Wer nur in Teilzeit arbeitet, muss sich deshalb genauso um einen Vollzeitjob bemühen wie arbeitslose Menschen.
  • Eltern, die ein kleines Kind betreuen, müssen während der Wohlverhaltensphase unter Umständen gar nicht arbeiten, sodass die Erwerbsobliegenheit entfällt. Denn die Kinderbetreuung hat in diesem Fall Vorrang. Im Einzelfall kann aber auch zumindest eine Teilzeitbeschäftigung zumutbar sein. Hier bedarf es immer einer Abwägung zwischen den Interessen des Schuldners, sein Kind angemessen zu betreuen, und den Interessen des Gläubigers an einer umfassenden Schuldentilgung.
  • Schuldner im regulären Rentenalter haben in ihrem Leben bereits genug gearbeitet. Für sie gilt die Erwerbsobliegenheit nicht. Sie dürfen sogar eine freiwillig ausgeübte Nebenbeschäftigung aufgeben, ohne dass ihnen dafür die Versagung der Restschuldbefreiung droht.
  • Die Gesundheit des Schuldners wiegt immer schwerer als das Befriedigungsinteresse des Gläubigers. Deshalb müssen kranke und arbeitsunfähige Menschen keiner Arbeit nachgehen, dafür aber alles tun, um wieder gesund zu werden.

Restschuldbefreiung grundsätzlich auch bei Arbeitslosigkeit möglich

Das Insolvenzgericht erteilt auch arbeitslosen Menschen die Restschuldbefreiung. Allerdings müssen sie auf Verlangen nachweisen, dass und wie oft sie Bewerbungen verschickt oder sich anderweitig um Arbeit bemüht haben. Die Rechtsprechung verlangt den Schuldnern einiges ab, insbesondere:

  • Meldung bei der Arbeitsagentur als arbeitssuchend
  • ständiger Kontakt zum Ansprechpartner bei der Arbeitsagentur
  • regelmäßige Lektüre von passenden Stellenanzeigen
  • etwa zwei bis drei Bewerbungen pro Woche, sofern es entsprechende Stellenagebote gibt

Folgen der Verletzung der Erwerbsobliegenheit

Bei einer Verletzung der Erwerbsobliegenheit droht die Versagung der Restschuldbefreiung.
Bei einer Verletzung der Erwerbsobliegenheit droht die Versagung der Restschuldbefreiung.

Laut § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO versagt das Gericht die Restschuldbefreiung, wenn der „Schuldner seine Erwerbsobliegenheit nach § 287b verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft […]“.

Das bedeutet unter anderem Folgendes:

  • Wer in Vollzeit arbeitet, angemessen dafür bezahlt wird und dennoch kein pfändbares Arbeitseinkommen erzielt, erhält trotzdem die Restschuldbefreiung. Schließlich ist er seiner Erwerbsobliegenheit ausreichend nachgekommen.
  • Eine Versagung der Restschuldbefreiung kommt nur in Betracht, wenn die Verletzung der Erwerbsobliegenheit zu einer Gläubigerbeeinträchtigung führt. Hierfür muss eine konkret messbare Schlechterstellung der Insolvenzgläubiger eintreten – allein die Gefährdung der Gläubigerbefriedigung genügt nicht.

Nur Gläubiger, die ihre Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet haben, dürfen die Versagung der Restschuldbefreiung beantragen. Sie müssen den Versagungsgrund – also die Verletzung der Erwerbsobliegenheit – glaubhaft machen.

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